Zaubert ein Lächeln auf die Leut‘…

Mit der Calessino im Juli 2016 nach Italien


 

 

 

 

Die Zwei im Dreirad

Die Baustellenampel zeigt rot. Ein Motorradfahrer hält dicht neben uns, klappt das Visier hoch und streichelt Lola, die 4-jährige Goldi-Hündin durchs offene Fenster. Lola leckt ihm freundschaftlich zwei- dreimal die Hand. Ampel grün, Visier runter, der Unbekannte fährt weiter. Wie oft ist uns das auf unserer Reise begegnet, dass Vorübergehende beginnen zu lächeln, dass die Daumen hoch gehen, dass wir angestrahlt werden. Und für jedes Foto 10 Cent – das gäbe so manche Tankfüllung… Calessino + Hund haben etwas Magisches, sie „zaubern ein Lächeln auf die Leut“.

Über’n Großglockner muss es gehen

Doch ich will von vorne beginnen. Einmal in ihrem Leben soll sie, die mittlerweile 3-jährige Calessino 200, das „Kütschchen“, ihre Heimat erleben. Nein, nicht Indien, das wäre doch etwas zu weit für die etwas zu klein geratenen Rädchen. Aber Italien, das muss schon einmal sein. Und so machen wir uns auf die Reise. Lola, gerade ein Jahr älter als das Tuktuk und ich. Mit Iso-Matte und Zelt. Voller Tatendrang (ich), und Neugier auf das verheißungsvolle „Geh’sch mit!“ (Lola) beginnen wir unsere Fahrt in das Land „wo die Zitronen blühen“. Doch der Frust ist groß, keine einzige APE auf der ganzen Italienreise. Ok, ging ja auch nur bis Südtirol…

Über den Großglockner soll es gehen, nicht zuletzt wegen dem begehrten „Bapper“ mit dem großen G auf die im 50er-Jahre-Stil gebogene Windschutzscheibe. Mit offenem Verdeck, Kehre um Kehre, anliegenden Hundeohren und strahlender Alpensonne. Mit Foto auf der Passhöhe. So war der Plan.


Vollgepackt bis an’s Dach

Frühmorgens Start in Kehl. Tuktuk vollgetankt und gepackt mit Hund, Zelt, Ersatzkanister, Hundefutter, Werkzeug, Gaskocher und was-man-halt-so-braucht auf so einer Italienreise. Navi auf „ohne Autobahn“ und „kürzeste Strecke“ programmiert, so tuckern wir über lauschige Sträßchen (blöd, schon wieder eine „Kraftfahrstraße“, die mit dem weißen Auto auf blauem Grund, darf ich ja laut Schein nicht).

Erste Zeltnacht aufm Campingplatz (in welche Schlaufe kommt doch gleich die gelbe Stange?) - gut dass keine/r beim Zeltaufbau zuguckt! Und dann weiter auf die sonnige Alb über Ulm, Augsburg nach München (letztere jeweils mit 1h Rushhour bei 34° - Neid auf die Autos mit Klimaanlage rings um uns her!), Freunde besuchen.

Und dann geht‘s alpenwärts! Aber je näher sie rücken, die Alpen, desto zögerlicher wird mein Dreh am Gasgriff: Wird sie‘s schaffen, die Calessino, die steilen Hänge und Kehren der Passstraßen mit uns als Ballast zu erklimmen? Erst rauf, dann wieder runter? Ist sie nicht vielleicht doch eher ein „Play-Mobil“, um sonntagnachmittags mit einem Gelato in der Hand die Strandpromenade auf und ab zu fahren? Bald werde ich es wissen.

Großglockner wir kommen!

 

 

 

 

Die 10. Kehre. Oder war’s die 9.?

Wir haben ihn bezwungen, den Großglockner! 48 km, 36 Kehren. Klar, die Calessino ist keine Bergziege, paarmal muss schon der 1. Gang ran. Das Motörchen gibt sich mit seinen 10 PS viertaktig alle Mühe! Kehre um Kehre. Entschleunigung pur.

Den Blick (neben der Nicht-Aussicht, alles wolkenverhangen) starr auf das Navi gerichtet. 20, 19, 18 km/h: 1. Gang? Nein! 19, 20, 21, 22 km/h. Es bleibt beim zweiten. An Überholen nicht zu denken – wen auch? Doch, ein paar Quäl-dich-Radler mit starrem Blick verschwinden im Rückspiegel. Und immer wieder vorbeiziehende Überholer mit Daumen-hoch, strahlendem Blick und begeistertem Hupen. Das „Lächeln auf die Leut“, es ist ansteckend.

 

Passhöhe Hochtor im Regen 2.504 m

 

Lonely Calessino

 

 

 

 

 

 

 


                                                                                                                                                             Auf halber Höhe beschließt dann der Großglockner-Wettergott, mir die Fahrt in bleibender Erinnerung zu halten. Es gießt in Strömen, schnell die Seitenfenster „drangeklettet“. Auf der Passhöhe Hochtor, 2.504 m, die Calessino einsam auf dem großen Parkplatz, nix wie rein in die trockene Andenkenbude. Außer mir nur ein paar nasse Motorradler. Topfenstrudel mit Sahne und Kaffee als Entschädigung. Und als Souvenir eine kitschige Kaffeetasse mit schräg liegendem Motorradfahrer drauf. Den entsprechenden „Bapper“ (ok, Calessino zählt als Motorrad!) gab’s ja bereits unten an der Mautstelle.  

 

Schrumpfender Gletscher

In strahlender Sonne zur Franz-Josefs-Höhe

Der Regen wird dünner, die Aussicht weiterhin bei null. Aber jetzt will ich’s wissen: Eine weiterer Anstieg hoch zur Franz-Josefs-Höhe, 2.369 m. Nochn paarmal 1. Gang, dafür dann die Belohnung: Es reißt auf, Sonne, blauer Himmel, fantastische Aussicht. Aber so ein Parkhaus ganz oben – das hat schon was Irreales. Egal. Begeisternde Rundumsicht auf die Skyline der Alpen und ein Abstieg zum schwindenden Gletscher per 60er-Jahre-Seilbahn, Augenblicke, die in Erinnerung bleiben und die Lola, die eigentliche Bergziege, in vollen Zügen genießt.

 

 

 

 

Irritierend: Parkhaus in 2.369 m Höhe

Dann die Abfahrt in Kehren, dem Viertakter seiner Motorbremse sei Dank. (Man munkelt ja, Piaggio wolle die APE-Produktion auf Viertakter umstellen. Diversen Abwärtsfahrten käme dies durchaus entgegen…) Wir wechseln uns ab im Bremsen: Motor – ich – Motor – ich. Und Bremsen, die bei der Abfahrt verdächtig stinken, sind nicht unsere sondern die der schweren Wohnmobile, ein Glück!

Österreich und irgendwann die Ankunft in Italien, pardon, in Südtirol. Stopp am Campingplatz, sofort sind wir von Neugierigen umringt. Männer: Hast du toll hergerichtet, das Teil! (Naja, hab‘s neu gekauft, ist drei Jahre alt…). Wieviel PS? (10). Wie schnell? (62km/h ohne Gegenwind). Zweitakter? (Nö, auch kein Diesel). Was braucht der so? (4,5 Liter wenn’s nicht bergauf geht.) Frauen: Süüß! Kinder: Papa, so’n Auto soll‘n wir auch kaufen! Ein etwas beleibter Herr: Kann ich mal rein sitzen? Klar! Er zwängt sich und seinen Bauch mit einiger Mühe vor die Lenkstange. Rein geht’s, raus wird’s schwer. Ist nix für mich, meint er, meine Bandscheiben…

 

 

 

 

Camping-Idylle, Calessino als Wäschetrockenständer

Und immer wieder die spannende Frage: Auto oder Motorrad? Ape, Trike und so‘n Zeugs gibt’s nicht auf den Listen. Der Junge an der Rezeption ist ratlos, fragt den Chef. Kurzes Zögern: Ist’n Auto, dafür kost der Hund nix. Genial auch auf der Bodenseefähre: Das Teil rechnen wir als Smart, ok?

Chillen von Camping zu Camping (Zeltaufbauen geht mittlerweile wie im Schlaf) auf dem Weg nach Bozen und Meran, bin ja Rentner, nicht auf der Flucht.

Nächster Pass: Timmelsjoch


Nächstes Ziel Richtung Heimat: Hochalpenstraße Timmelsjoch, 2.474 m. Ein Traum! Kaiserwetter, kaum Verkehr, die Calessino schnauft und knattert ordentlich aber schnurrt uns Kehre um Kehre nach oben. Wunderschöne Ausblicke, ein einmaliges Erlebnis, diesmal „oben ohne“!

An der Mautstelle bewundernde Blicke, logisch, Motorrad. Noch ein „Bapper“. Und abwärts die Belohnung, wunderschöne Kehren und dann Siesta in einer Jause, Kaiserschmarrn mit Almdudler.

Belohnung: Kaiserschmarrn

So langsam geht es wieder heimwärts, Richtung Bodensee. Auch die längsten drei Wochen sind mal vorbei. Schrecklich, der Fernpass, zwar kaum Steigung, dafür Stress pur: im Schlepptau hinter mir ein Auto am anderen. Wie war das? Stau ist blöd, vorne geht’s. Naja. Auch diese Fahrt geht vorüber, der See ruft.

 

 

 

 

Aufm Casa-Hof: APEs in Massen

Am Morgen kurzer Stopp beim Casa Moto, dem Spezial-Ape-Händler in Bergatreute, der (deutschen) Heimat meines Gefährts. Brauch eigentlich nix. Ein Gummiüberzug aufs Bremspedal, immerhin was.




Ausfahrt nach Mengen, „Alpen-Calessino“, umzingelt von APE-Genossen

APE-Treffen in Krauchenwies

Paar Freunde am See besuchen und dann zum Wochenende nach Krauchenwies, APE-Treffen der Apefreunde Südwest. Ausfahrt mit 30 APEs („So alt und fährt noch immer Dreirad!“) nach Mengen – ein krönender Abschluss der Calessinoreise!




Drei Wochen unterwegs, 2.000 km bergauf, bergab mit schwerem Gepäck (Lola wiegt 32 kg…) ohne auch nur einmal zu mucken – alle Achtung und schönen Dank, kleine Calessino!

 

 

 

 

                                                                         Frieder Fabriz, Kehl am Rhein